
Fabrikationshalle der Gummibandweberei AG
Adresse
9200 Gossau
SG
Mit dem Entwurf der neuartigen Zylindershedhalle schufen Heinrich Danzeisen und Heinz Hossdorf eines ihrer bedeutendsten Werke. Die für Fabrikhallen gängigen Anforderungen – maximale Stützenfreiheit, gleichmässige Belichtung, Vermeidung direkter Sonneneinstrahlung und minimale Baukosten – führten zu dieser in Form und Funktion optimierten Lösung. Die Halle gilt als wichtiger Industriebau der 1950er Jahre. Die innovative Konstruktion wurde 1965 auf der Ausstellung «Twentieth Century Engineering» im Museum of Modern Art in New York präsentiert und ist im Bundesinventar als «Kulturgut von nationaler Bedeutung» gelistet.
Chronologie
Die Gummibandweberei AG in Gossau benötigte für die Zusammenlegung und Rationalisierung des Betriebs eine neue Fabrikhalle mit einer Fläche von 1400 Quadratmetern. Die Bauherren wünschten eine preisgünstige, stützenfreie Halle ohne direkte Sonneneinstrahlung, was zur Entwicklung einer neuartigen Zylinder-Shedkonstruktion führte. Diese Konstruktion wurde vom Architekturbüro Danzeisen und Voser unter Leitung von Heinrich Danzeisen und in Zusammenarbeit mit dem Ingenieur Heinz Hossdorf 1953 geplant und in den beiden darauffolgenden Jahren umgesetzt. Noch vor dem Bau liess Danzeisen seine Konstruktion patentieren, doch es blieb ein solitäres Denkmal, da die Bauweise keine Erweiterungsmöglichkeit zulässt. Nach einigen Eigentümerwechseln wird das Bauwerk heute nicht mehr in seiner Funktion als Stätte der industriellen Produktion genutzt: Seit 2016 befindet sich dort ein Fitnesscenter.
Lage
Die ehemalige Fabrikhalle liegt topografisch leicht erhöht südlich der Kernzone von Gossau in einer Wohn- und Gewerbezone. Die Halle befindet sich an der Stadtbühlstrasse 12, unweit des Bahnhofs von Gossau. Im Süden und Westen des Gebäudes ist ein Parkplatz vorgelagert, der die südseitige Erschliessung ermöglicht. Nördlich wird der Baukörper von einem flachen, eingeschossigen Gebäude flankiert, an das diverse ältere Gewerbegebäude anschliessen. Östlich der Halle beginnt eine Grünfläche mit einer anschliessenden Baumreihe, die nicht Teil der Parzelle ist und an die Wohnsiedlung grenzt. Westlich der Halle liegt der Stadtbühlpark. Die viel befahrene Herisauerstrasse sowie die Bahngleise prägen die nähere Umgebung.
Beschreibung
Der gegen Norden ausgerichtete Baukörper besteht aus sechs aneinandergereihten, leicht schräg gestellten und in ihren Achsen gegeneinander verschobenen Zylinderelementen, die als sogenannte Zylindershedbaukonstruktion ausgeführt sind. Diese Anordnung erzeugt grosse sichelförmige Öffnungen, welche die Halle grosszügig beleuchten und einen Eindruck von schwebender Leichtigkeit schaffen. Das Erdgeschoss besteht aus einem stützenfreien Raum mit einer maximalen Höhe von 15,1 Metern, der von den zylinderförmigen Betonschalen überspannt wird. Die Schalen wurden vor Ort aus Spritzbeton hergestellt, was eine filigrane Ausführung der Konstruktion ermöglichte, die im Scheitel sieben und an der Wurzel zwölf Zentimeter dick ist. Die vorgespannten Betonschalen überdecken einen Raum von 50,7 mal 28,5 Metern und sind auf einer von aussen sichtbaren Betonschwelle abgestützt, die durch Stahllager mit der Unterkonstruktion verbunden ist. Die nach Norden ausgerichteten Fenster bilden anhand der Stahlkonstruktion eine Binderscheibe. Die dünnen Ränder der Schalen sind verstärkt und dienen dabei als Unter- und Obergurt. Die ursprünglich mit Welleternit eingekleideten Schalenelemente wurden später durch ein goldfarbenes Wellblechdach ersetzt. Diese Dachhaut tritt im gebauten Umfeld dominant in Erscheinung. Der südseitige Eingang zur Halle an der Stadtbühlstrasse präsentiert einen geschlossenen Baukörper. Der neuartige Zylindershedbau wurde entwickelt, um den veränderten Anforderungen damaliger Bandwebstühle gerecht zu werden. Das zu verarbeitende Gummi sollte keiner direkten Sonneneinstrahlung ausgesetzt werden, während gleichzeitig eine gute Beleuchtung der Arbeitsplätze gewährleistet werden musste. Diese Konstruktionsweise erfüllte nicht nur alle Anforderungen der Gummibandweberei, sondern reduzierte die Baukosten im Vergleich zu einer herkömmlichen Schalenshedkonstruktion um etwa 12 Prozent.
Beim Betreten des Gebäudes offenbart sich die filigrane Zylindershedkonstruktion. Sie sorgt dafür, dass das Licht gleichmässig auf die gestrichenen Betonwände gestreut wird. Im Inneren entsteht der Eindruck eines Glasdaches, da sich die Betonschalen mit Blick vom Eingang aus optisch auflösen. Die waagerecht angeordneten Fenster mit dahinterliegender Fachwerkverstrebung, die als Binderscheibe ausgeführt ist, unterstreichen die leicht wirkende Bauweise. In Südrichtung erscheinen die weiss gestrichenen Betongurtbänder wie eine breitgespannte Zeltdecke. Für den Betrieb des Fitnesscenters wurden neue Räume in den ursprünglichen Websaal eingebaut, die als Garderoben oder Fitnessräume dienen. Im Untergeschoss befinden sich nach wie vor die Neben- und Lagerräume. Durch die Höhe der Halle konnte zudem auf schallabsorbierende Materialien verzichtet werden, was die raumhohe Gestaltung unterstützt.
Literatur
- Eberhard, Katrin. Danzeisen + Voser. Bauten und Projekte 1950-1986. Zürich 2020, S. 16–25
- Brentini, Fabrizio. Die unterschätzten 60er- und 70er-Jahre, in: Journal 21.ch, 2020 (online)
- Hornung, René. Sorgen um die Goldzack-Halle, in: Hochparterre, 04.10.2013 (online)
- Rucki, Isabelle; Huber, Dorothee (Hg.). Architektenlexikon der Schweiz. Basel 1998, S. 140, 276–277
- Fabrikationshalle der Gummibandweberei AG in Gossau, in: Das Werk : Architektur und Kunst 43 (1956), Heft 2, S. 48–50 (online)
- Erweiterungsbau der Gummibandweberei AG, in: Das Werk : Architektur und Kunst 41 (1954), Heft 7, S. 288 (online)
- Hossdorf, H. Hallenbau der Gummibandweberei AG. in Gossau SG, in: Schweizerische Bauzeitung 72 (1954), Heft 51, S. 751–754 (online)